Mittwoch, 5. März 2008

Hey Julian ....


Du bist ein Typ, Vatter!!!
>
> kurz mal eben geschrieben, 7 Seiten lang über Evaluation ?! ...............




Na, ich kann halt schnell schreiben...;-) ....

.... Die meiste Zeit brauche ich fürs Korrigieren & trotzdem finde ich hinterher (wenn ich denke, alles sei im Lot) immer noch kleine Fehler, die mich dann wahnsinnig ärgern.

Früher hatte ich oft den Klaus oder den Andreas hinter mir sitzen, das sind beide so WortFürWort-Leser. Die ha'm's dann gerichtet.

Korrekturlesen von Texten Anderer kann ich dann wiederum sehr gut. Es sind ja eben nicht meine. Ist aber auch nichts Merkwürdiges dabei; denn da ich meist meinen eigenen Text schon präfiguriert im Kopf habe & oft gar nicht so Recht weiß, wo der her kommt und wie der von dort in meine Finger gekommen ist, lese ich diesen, meinen eigenen Text, eigentlich auch gar nicht mehr so richtig beim Korrigieren sondern memoriere ihn lediglich. Und dabei fallen die Fehler dann natürlich meist nicht auf.

Ich wollt's auch nur mal wieder wissen. Denn J. hatte sich bei B. (mit Blick auf mich) beschwert, sie habe zu wenig anspruchsvolle Aufgaben. Na ja, und da hat'er dann gesagt, mach' dir mal Gedanken über die Evaluation von FörderMaßnahmen - ich brauch's für die Geschäftsleitung.

Und daran saß sie dann ... bis zum letzten Mittwoch schon 2 lange Wochen lang.

Mittwochmorgen stöhnte sie: "Ich krieg's nicht hin mit der scheiß Evaluation. Mir fällt einfach nix Vernünftiges dazu ein! ... Kennste das?", meinte sie zu mir. - "Nö", hab ich gesagt, "kenn' ich nicht, mir fällt zum Schreiben immer was ein." Und danach dachte ich: Jetzt hast'es gesagt & dann musst'es eben auch gleich mal wieder versuchen.

Und schon bei den ersten Sätzen wusste ich, dass es geht. Oft braucht man nur den richtigen Anfang - oder besser gesagt - man braucht eigentlich keinen "richtigen" Anfang, also keinen, der direkt etwas mit dem Thema zu tun hat, sondern man braucht irgendeinen Anfang, egal was.

Ich mach's meist so, dass ich mir ein Gegenüber vorstelle und dem erst einmal erzähle, was ich nicht machen möchte & was alles nicht geht & dass das Thema eh "blöd" is' & das Wetter beschissen & es mir nicht gut geht ... so etwas in der Art ... und das schreibe ich während ich das denke schon auf ... und im Verlauf des Schreibens - auch von Dingen, die mit dem eigentlichen Gegenstand nichts, aber auch gar nichts zu tun haben - entwickelt sich so etwas wie ein Text, der in der Folge, also im weiteren Schreibakt, immer mehr auf das eigentliche Thema hin zentriert wird. Aber von wem eigentlich?

Was man dazu allerdings braucht, ist ein umfangreiches Wissen über fast alles. Man muss assoziieren können. Und dazu benötigt man natürlich auch den Background bezogen auf das in Rede stehende Thema. Dann muss man - wie so gesagt wird - gut formulieren können. Denn wenn einem der sprachliche Ausdruck selbst schon Schwierigkeiten bereitet, verliert man zuviel Kraft, um sich auf das zu konzentrieren, was man ausdrücken möchte.

Während des Schreibens entwickelt sich nach und nach ein Textgerüst, das ich beginne, in vorläufige Abschnitte einzuteilen. Oft verwende ich dazu modifizierte Kapitelüberschriften von Texten, die ich zu diesem Thema bereits gelesen habe.
Dabei erzeugt sich etwas in der Art von Kryptomnesie. Das ist ein Ausdruck aus der Freud'chen und Jung'schen Psychoanalyse. Und der meint nichts anderes als 'verstecktes, unbewusstes Erinnern'.
Man erinnert sich an Inhalte von Büchern oder Zeitschriften, Gesprächen oder anderen Texten und weiß das selbst gar nicht (oder besser, man weiß nicht, dass es die Gedanken & Texte Anderer sind), schreibt's aber in abgewandelter Form auf. Und zwar so, als sei einem das gerade eingefallen. Ist es natürlich auch, es ist einem selbst eingefallen, aber zuvor war das schon (wie gesagt) einem Anderen eingefallen. Man selbst aber hat diesen Text nur vorbewusst zur Verfügung, den man dann jedoch als eigenen ins weiße "Licht des Word-Blatts" bringt.

Es ist überhaupt so, dass man nie (wirklich nie!) weiß - und auch nie wissen kann -, wo das gerade Gesagte oder Geschriebene herkommt. Ich hatte ja versucht, das in der Geschichte über Bene kurz darzustellen. Das, worüber wir während des Kommunikationsaktes zu verfügen vermeinen - und, dass wir überhaupt denken, dies - was wir sagen, meinen, erzählen oder als Handlung nach Außen bringen - in unserer Verfügung zu haben - ja all das verdanken wir der so genannten "Nachträglichkeit". Ein terminus technicus des französischen Psychoanalytikers Lacan.

Das meint, dass wir immer erst nachher versuchen, das einzuholen, was wir zuvor gesagt oder auch getan haben. Man interpretiert die eigenen schon vollzogenen Handlungen und fügt damit dann der Wirkung eine Ursache zu. Das hat schon der große Nietzsche vortrefflich erkannt, indem er sagte, es gibt eigentlich nur Wirkungen - die Ursachen erfinden (oder rekonstruieren) wir hinzu.

Dies gilt nicht nur für die Geisteswissenschaften, also für die Wissenschaften, die zum Gegenstand im weitesten Sinne die Sprache haben. Es gilt ebenso für die Physik, die Mathematik und damit natürlich auch für all das, was mit dem Sozialen und der Ökonomie zu tun hat.


Nimm nur mal den Marketingbereich als übergreifende marktorientierte Unternehmensführung. Nimm weiter den alten Philip Kotler, der sagte, beim Marketing gehe es darum Bedürfnisse profitabel zu befriedigen. In dieser rein Unternehmens bezogenen, quasi technischen Definition steckt ein Hiatus, etwas, worüber man stolpern kann und muss. Und genau ein solcher Stolperstein ist der Ausdruck "Bedürfnisse". Denn die sind ja nicht einfach so gegeben - einmal abgesehen von den Existenzbedürfnissen: Nahrung, Flüssigkeit, Wohnraum, Sicherheit, Atmung, Wärme, Sexualität, die ein jeder befriedigen muss, um zu existieren ... darum ja auch der Ausdruck "Existenzbedürfnis".

Das worauf sich Marketing heute im Wesentlichen bezieht, ist z.B. in der Maslow-Pyramide weiter oben zu finden. Die 'Promotion', die das Marketing betreibt, ist eine Promotion der Erzeugung von Bedürfnissen, um sie durch die mit Kaufkraft ausgestatteten Wirtschafts-Subjekte zum Bedarf werden zu lassen.
Gute Marketingstrategen befassen sich meiner Meinung nach alle einem gewissen Teilaspekt ihrer GesamtTätigkeit, nämlich mit der Erzeugung von Begehren und Wünschen nach Produkten, die bestenfalls wie ein Puzzlestückchen in ein Gesamtpuzzle passen, das selbst aber nur marginalen Zusatznutzen für das wünschende Wirtschaftssubjekt bringt. Zumeist hat zuvor sogar niemand gesehen, dass das ein weißer Fleck war - eben das fehlende Puzzlestückchen.
Und einen guten Marketingmanager macht vor allen Dingen aus, dass er den Blick für dieses weiße Fleckchen hat und andere davon überzeugen kann, Geldwertes dafür einzusetzen, um dies Fleckchen verschwinden zu lassen.
Für die Menschen, die dies Fleckchen ausfüllen möchten, wird die Ergänzungstätigkeit (die Supplementierung) zum Zwang - Für den Marketingmanager und die Firma, die er berät, zum Gewinn.

Ich denke hier zum Beispiel an die Produkte von Apple. Wer braucht schon ein Telefon mit Touchscreen, wer braucht einen MP3-Player, der um ein vielfaches teurer als andere und zudem auch noch eingeschränkt im Datenformat ist? Wer braucht schon das dünnste Notebook der Welt, dem darüber hinaus noch wesentliche Funktionen anderer, ähnlicher Produkte fehlen, die dazu auch noch günstiger zu erwerben sind?

Diese Luxusbedürfnisse werden erst erzeugt und dann geschickt lanciert. Und genau hier ist dann wieder die in die Wirkung eingebrachte 'nachträgliche' Ursache am Werk. Die Wirkung ist hier der produzierte, nicht notwendige und darum aggressiv beworbene Verkaufsgegenstand. Die Ursache aber der nachträgliche, unbewusste, gespürte Mangel beim potentiellen Käufer. Man hat es also im Wesentlichen auch in den Wirtschaftswissenschaften und speziell und zuvorderst im Marketing mit Interpretationsverhältnissen und damit zugleich mit Sprachwissenschaft & Psychologie zu tun.

Ähnliches gilt für die Börse. Die "klugen BörsenKöpfe" sprechen davon, dass der Aktienmarkt nichts anderes als angewandte Psychologie sei. Aber niemand von diesen Leuten hat sich je mit mehr als der Küchenpsychologie von Lieschen Müller aus der "Brigitte" beschäftigt.
Die Börsianer rechnen den lieben langen Tag, erstellen stochastische Modelle, führen auf diesem Hintergrund statistische Analysen durch, erzeugen dann bei ihren Kunden den Wunsch nach einer erhöhten Rendite, bieten Produkte an, die diesen Wunsch zu befriedigen scheinen und sagen dann, wenn der DAX - wie vor einiger Zeit - um fast 10% eingebrochen ist, achselzuckend:
"Na ja, Börse ist eben zu 80% Psychologie. Die Kunden trieb's aus dem Markt, weil sie Ihre Renditen und ihr eingesetztes Kapital gefährdet sahen. Und alle verhalten sich wie die Rinder einer Herde. Es fällt ein Schuss, das Leitrind läuft, und alle anderen laufen hinterher."

Der Satz ist richtig! Aber man muss untersuchen, warum das Ganze so abläuft? Warum wollen wir diese Renditen? Warum versuchen wir sie auf einem unsicheren Markt zu erzielen? Warum laufen die kleinen Unbedeutenden den Großen, Bedeutenden hinterher? Warum konnte so'ne alte, hässliche Töle wie der Greenspan den Markt bestimmen, wenn er seinen übel riechende, nuscheligen Mund öffnete? Warum sahen dann plötzlich alle in diesem Greis die wunderschön junge, delphische Göttin des Geldorakels der Wallstreet.
In diesem Zusammenhang gibt's folgende, kleine Anekdote: 'Greenspan wurde während eines seiner Nickerchen geweckt & aufgefordert, etwas zur Zinsentwicklung zu sagen. Der alte Mann brabbelte schlaftrunken irgendetwas, was niemand verstand. Alle meinten jedoch, dass es etwas sehr Wichtiges gewesen sein müsse. Man interpretierte also an etwas wüst herum, das offensichtlich gänzlich ohne Bezug zur Zinspolitik und vollkommen sinnlos geäußert worden war, und gab wenig später bekannt, was Greenspan angeblich gesagt habe. Auf diesem Hintergrund (des "NichtGesagtenGesagten") berieten dann die Analysten ihre Marktkunden. Greenspan wartete nur ab. Die Börsenentwicklung verlief positiv, worauf Greenspan dann bestätigte, dass er genau das, was veröffentlicht wurde, auch so gesagt & gemeint habe."
Ein schöneres Beispiel für die nachträgliche Erzeugung von Sinn, also für die "Nachträglichkeit" von Ursache und der Bedeutung von bereits vollzogener Handlung - und damit der Verkehrung von Ursache & Wirkung - gibt's doch nicht ... oder??

Zurück zu Apple: Interessant ist, sich einmal die Frage zu stellen, wie das mit dem Apple-Hype denn inszeniert ist und abläuft.
Als Jobs die Führung der Firma wieder übernahm, war sie vollkommen am Boden. Die Computer von Apple und das so fortschrittliche Computersystem spielten sowohl im Privat- als auch im Geschäftsbereich keine Rolle mehr. Die letzten Apples (über Gravis vertrieben) die ich noch kenne, sahen aus wie die anderen Kisten auch. Alles war verwässert. Das Design, das Image, die Positionierung am Markt - ja sogar das Betriebsystem.
Microsoft hatte sich das "Fenstersystem" von Apple abgeschaut & brachte Rechner heraus mit dem Win 95. Daran wirst Du Dich ja auch noch erinnern können - war doch Dein erster Rechner ein Win95-Rechner? Auch wenn zu diesem Zeitpunkt das Win noch ziemlich anfällig war und nicht die Performanz und Stabilität von Apples damaligem Betriebsystem erreichte, hatte es jedoch keine Mühe, sich am Markt durchzusetzen, da die eigentlichen Applerechner (nicht die von Gravis vertriebenen Mac-Clones) nur noch für den Profibereich eingesetzt wurden. Power Book und Newton und alles was in diesem Bereich noch so angeboten wurde, war geflopt, weil entweder viel zu teuer oder zu wenig praktikabel.

Ich verkürz jetzt mal, weil es mir an dieser Stelle nicht um die Einholung der Apple-Geschichte geht. Es treibt mich eigentlich schon eine ganze Weile etwas anderes um, etwas, dass im Bereich des Marketing zwar einen mit entscheidenden Stellenwert besitzt, zumeist aber zu sehr vernachlässigt wird.

Jobs hatte schon immer erkannt, dass es ein wesentliches Moment für die Akzeptanz von Produkten war und ist, dass sie leicht bedienbar sind (die erste Maus wurde von Apple eingesetzt), dass sie funktionabel sind, und dass sie dies auch widerspiegeln müssen in ihrem Design.
Zurück geht eine solche Idee des Verschmelzens von Design und Funktionabilität auf die Bauhausleute, die später auch die Väter des Designs der Braunprodukte wurden. Hier ist besonders Dieter Rams zu nennen, der den so genannten Schneewittchensarg entwarf (einen all-in-one-Plattenspieler).

Jonathan Paul Ive war dann der Mann, der diesen "RamsKontext" hatte und der nach diesen Designvorstellungen den IMac entwarf. Und dieser Computer hatte ein unverwechselbares Äußeres. Die ursprüngliche Idee fand sich aber schon im ersten gebauten Mac, den ich noch aus meiner Studentenzeit kenne. Einer der Dozenten am Institut hatte damals ein solches Ding. Ein Computer, in dem schon alles enthalten war, was man brauchte.
Hinzu kommt aber auch die außergewöhnliche Präsentation der Produkte durch Apple. Das Zelebrieren von kruden technischen Gegenständen als wirkliche, lebendige Individuen. Wie geliebte Dinge, die plötzlich da sind und ohne die man nicht mehr auszukommen vermeint.
Die Produkte erhielten den Nimbus von Übergangsobjekten (im Sinne des Psychoanalytikers Winnicott). Ein Übergangsobjekt ist zu Beispiel so was wie'n Kuscheltier, oder 'ne Schmusedecke, das einen so genannten intermediären Raum zwischen Mutter und Kind einnehmen kann: Ist die Mutter weg, dann kann das Kind die Verlustangst mindern, indem es seine Schmusedecke als Supplement (Ersatz) der geliebten Mutter einsetzt. Und ein bisschen davon beinhaltet das von Ive kreierte Design.
Es hat etwas Rundes und damit zugleich etwas Weiches. Es hat etwas Glattes und damit zugleich etwas Schmiegsames (wie z.B. die Mutterbrust). Es hat etwas Autonomes und damit zu gleich etwas Insichruhendes, an dem man sich selbst beruhigen kann. Es hat etwas Kompaktes und damit zugleich etwas, dass einem Stärke verleiht. Und es hat etwas Schönes, Anmutiges und damit zugleich etwas, das auf das erste Objekt der Begierde (die Mutter) rückverweist und auf die Geliebte vor verweist. Und es hat etwas Frivoles, Unikatives, Verführendes und damit zugleich etwas, dem man sich hingeben möchte. And so on ....

Wenn Du nun das unter dem oben beschrieben Aspekt der Bedürfniserzeugung (ich spreche in diesem Zusammenhang lieber von Begehren & Wunsch) also wenn Du das mit dem oben Gesagten verbindest, dann wirst Du sehen, dass über das Design der Wunsch des Besitzes eines solchen Gegenstandes erzeugt wird. Potentiell ist dieser Wunsch als etwas Diffuses vorhanden. Ausgestaltet und strukturiert wird er dann durch das eigentliche Produkt und die Präsentation durch Steve Jobs, so als gäbe uns GottVater ein Stückchen von EVA. Und um diese Eva ist zuvor ein ungeheures Geheimnis gemacht worden. So wie immer schon ein ungeheures Geheimnis um die Vulva gemacht wurde. Dann wird sie entdeckt (im Sinne von aufgedeckt) ... bisschen jedenfalls ... aber zugleich durch die funktionale Form & den Charakter des Dings als Gebrauchsgegenstand wieder entmythisiert ... und immer wieder ... und immer wieder...

... aber das, was mich wirklich brennend interessiert und bei dem ich jedoch immer noch nicht angekommen bin, ist die sprachliche Ausgestaltung des Produkts ... also, was ist mit dem "I" im Imac, Iphone, Ipod ...
Dazu vielleicht später ... getz muss ich er's ma' wat kochen & essen... eben BEDÜRFNIS; WUNSCH ::: BEGEHREN ;-) ... ju()no??

Gruß

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